Das ‘Wasser von Hülzweiler‘

lm Jahre 1844 erschien im Verlag Mathieu in Köln ein Lesebüchlein des Lehrers Jean Paul Mathias mit dem Titel "Die Beschreibung unseres Landkreises" . Mathias beschrieb, wie hieß mit Genehmigung der weltlichen tind geistlichen Behörden, den Landkreis Saarlouis.
Auf Seite 23 seines Büchleins finden wir folgenden Text:
"Die Bürgermeisterei Fraulautern bildet einen schmalen Streifen der Saar entlang. Zu ihr gehören die Orte Fraulautern, Roden. Hülzweiler, Dillingen und Pachten. Hülzweiler liegt an einem Bergabhang am Lochbach. Das Dorf hat eine schöne Kirche. Es hat 640 Einwohner, aber dein Dorf fehlt es an Wasser." Mit dem Hinweis, dem Dorf fehle es an Wasser, wird auf ein Problem hingewiesen, welches unsere Dorfgeschichte bis in das 20.jh begleitet. ln den Friedenszeiten nach den napoleonischen Kriegen war die Bevölkerung rasch gewachsen und die Versorgung der Menschen und ihres Viehbestandes in Hülzweiler ein mühseliges Unterfangen geworden. Der Lochbach und der alte Lorenzbtorn waren die beiden Wasserstellen, die im Dorf vorhanden waren. Das Wasser musste mit Eimern und anderen Gefäßen für viele Haushaltungen oft mehrere hundert Meter herbeigeschafft werden. Kam es jedoch zu einem trockenen und heißen Sommer, so floss das Wasser des Lochbaches oft nur spärlich, und die Wassernot war groß. So lesen wir in einem alten Dokument, dass der Mühlenbesitzer Peter Henry Klage führt. da das Wasser seines Mühlteiches nicht mehr ausreicht, die Mühle zu betreiben. (Wir schreiben das Jahr 1830). Eine Wasserleitung oder größere Dorfbrunnen gab es damals in Hülzweiler noch nicht.

Obwohl man wußte, dass auf "Peterborn" mehrere Quellen ergiebig Wasser brächten, reichten die finanziellen Möglichkeiten der kleinen Gemeinde nicht aus, diese zu erschließen und in das Dorf zu leiten.
Unsere Nachbargemeinde Schwalbach litt ebenfalls unter diesen Nöten. Doch kam es dort noch erschwerend hinzu. daß durch die Kohlegruben der Gemeinde noch mehr Wasser entzogen wurde. Als im Jahre 1842 der preußische König Friedrich Wilhelm IV, das Saargebiet besuchte, nahmen die Einwohner von Schwalhach die Gelegenheit wahr und überreichten dem König bei der Durchfahrt durch Ensdorf eine Bittschrift. Der Monarch, der ein eifriger Förderer der Kohlengruben war, sagte Hilfe zu. So wurde im Jahre 1845 "auf Allerhöchsten Befehl" eine Wasserleitung nach Schwalbach gebaut. Die Quellen aber, die diese Leitung speisten, lagen auf dem Gemeindebnnn von Hülzweiler. Da Schwalbach nicht über ausreichende Quellen verfügte, hatte der König die "Expropriatio", dh. die Enteignung der Wasserquellen auf Peterborn angeordnet. Gegen den königlichen Beschluss gab es keine Möglichkeit des Einspruchs. Wohl versuchte die Gemeinde Hülzweiler durch Eingaben eine Entschädigung gung zu erreichen, worüber es einige Dokumente gibt, die aus den Jahren 1845/46 stammen. Die Bemühungen blieben jedoch erfolglos. So blieb es weiter bei den geschilderten Wassernöten, die es nicht nur in heißen Sommern gab.

Auch im Winter, wenn die Bäche zufroren, war die Not sehr groß. Die vereisten Wasserstellen an Bach und Brunnen bildeten eine stetige Gefahrenquelle bei der mühseligen Arbeit, das Wasser mit Gefäßen in die Häuser zu schaffen. Aus diesem Grunde wurde 1846 die Umgebung des Lorenzebornes mit Abwassergräben versehen und die Einfassung des Brunnens erneuert. Diese Arbeit wurde von einem Manne namens Hubert Wilhelm durchgeführt. Hubeit Wilhelm erhielt für die "Ruthe Graben" vier Groschen und sechs Pfennige. Über die „Arbeitsbedingungen und die Entlohnung des Mannes wurde ein förmlicher Vertrag abgeschlossen und am 21.11.1846 vom Bürgermeister Tellinge in Fmulatitern unterschrieben.

Die Neugestaltung des Brunnens war aber nur eine kleine Hilfe, die nicht ausreichte, die Wassernot in Hülzweiler zu beseitigen. Im Winter 1847 wandte sich der Gemeinderat von Hülzweiler mit einer Bittschritt an den “königlichen Landrat Hehse" in Saarlouis. Diese Bittschrift trug die Unterschriften von Ortvorsteher Johann Schwinn, den Gemeinderäten Mathias Blaß, Nikolaus Jacob, Nikolaus Haustert, Johann Wilhelm und 32 Bügern von Hülzweiler. Das Dokument schilderte eindringlich und fast flehend die präkere Lage des Ortes, und man bat die Behörden. eine Wasserleitung von den Quellen des "Wiesentales" in das Dorf zu legen. Das Gesuch schloß mit den Worten:
"...auf Euer Hochwohlgeborene väterliche Sorge für die Untergebenen vertrauend, zeichnen mit Hochachtung Euer Hochwohlgebohrene treue Untergebene...”
Der Landrat sagte nun Hilfe zu und man erstellte eine Kostenrechnung. Die Belastung. die aber die Gemeinde selber betreffen sollte, war so hoch. dass eine Durchführung des veranschlagten Projektes nicht möglich war. So blieb vorerst alles beim alten.

ln diesem Jahr wurde der alte Lauterbornweiher trockengelegt und in Ackerland verwandelt. Die frei gewordenen Quellen des Weihers konnten jedoch nicht genutzt werden. da dieses Wasser den Höhenzug zum Dorf nicht überwinden konnte. Nun begann man im Ort Bohrungen vorzunehmen und errichtete drei Bohrbrunnen. Aber auch diese reichten bald nicht mehr aus, da die immer rascher anwachsende Bevölkerung und der größere Viehbestand den benötigten Wasserbedarf immer mehr in die Höhe trieben. Die Einwohnerzahl war 1867 bereits auf 925 "Seelen" gestiegen. Viele Pläne wurden gemacht, um das Wasserproblem zu lösen, doch der Krieg l870/ 71 beendete vorerst alle Planungen.

Durch die ständigen Einquatierungen von Soldaten mit ihren Pferden war die Lage noch unerträglicher geworden. So hatte man sich nun vorgenommen, nach dem Kriege dieses Problem energisch und endgültig anzugehen. So erinnerte man sich des Angebotes von Johann Wilhelm, bezüglich seiner Quellen auf Hostenborn.

Im Jahre 1875 wurde die Quelle gefaßt und eine Brunnenstube im Bereich Rodenacker gebaut. Diese Brunnenstube steht heute noch; es ist der allseits bekannte "Rodenackerbrunnen", dessen Wasser noch fließt. Vom Rodenacker wurden nun Rohre zu den Brunnentrögen an der "Grieß" und in das Mitteldorf verlegt. Endlich "lief" im Dorf Tag und Nacht Wasser.

Für eine Weile atmete man in Hülzweiler auf. Die Wasserversorgung hatte sich entschieden verbessert.
Doch die Bevölkerungszahl stieg, bedingt durch die verbesserten Lebensverhältnisse des Industriezeitalters, bald weiter an und brachte die alten Probleme des Wassermangels wieder. Unser Ort hatte 1885 bereits 1.415 Einwohner. Viele Haushalte hatten begonnen einen eigenen Brunnen zu bohren und bald gab es nur noch wenige Häuser, die im Garten oder am Giebel keinen eigenen Brunnen (Pitz) hatten.

In den vergangenen Jahren war vom Landrat in Saarlouis eine Untersuchung in Hülzweiler bezüglich der Trinkwasserqualität angeordnet worden, da schon in den Jahren 1888/89 zahlreiche Personen erkrankt waren. Der Ortsvorsteher Jungmann ließ damals die Brunnenstube neu verputzen und neue Rohre zum Brunnen verlegen. Fur eine richtige und gründliche Lösung des Wasserproblems reichte die Finanzkraft der Gemeinde aber nicht aus. Es brauchte Zeit um die Leute von den erforderlichen Maßnahmen bezüglich der Hygiene zu überzeugen. Das alles sollte sich nach der Amtsübernahme des neuen Ortsvorsteher Nikolaus Strauß im Jahre 1895 ändern. Hülzweiler zählte zu dieser Zeit fast 1.900 Einwohner. Strauß hatte bald erkannt. duß eine großzügige Lösung des Wassernotstandes mit den bisher angewandten Mitteln nicht zu bewerkstelligen war.

So ließ er im Jahre 1899 ein Gutachten durch einen Fachmann erstellen. Ingenieur H. Ehlert aus Düsseldorf wies in seinem Gutachten auf die bestehenden Mängel in Hülzweiler hin und er bot mehrere Möglichkeiten an, dieselben zu beseitigen. Allerdings schrieb er. duss nur eine mit "Motorkraft betriebene Kraftmaschine" das Wasser der vorgesehenen Quellen auf das gewünschte Niveau des Dorfes bringen könne. Der Wasserbedarf pro Kopf und Tag betrug lt. Gutachten zwischen 50 und 60 Liter, was einen Gesamtbedart pro Tag für Hülzweiler von 80 cbm ergab. Die Qualität des Quellwassers wurde als gut bezeichnet.

Interessant ist der Gutachtertabschnitt, in dem auf die Möglichkeit einen "Windmotor" zu installieren, um das Wasser auf die erforderliche Höhe zu bringen, hingewiesen wird.

Woher nur: die benötigte Wassermenge nehmen, war die Frage.

Ortsvorsteher N. Strauß ging nun ein heißes Eisen an. Auf Peterbom gab es mehrere Quellen, die aber zum Teil schon im Jahre 1845 von der Gemeinde Schwalbach genutzt wurden. (S. Hinweis 1845) '

Der Ortsvorsteher ging nun daran, die Quellen, die noch nicht erschlossen waren, für Hülzweiler zu erfassen. Das führte zu Verwicklungen mit der Grubenverwaltung und der Gemeinde Schwulbach.

Am 04. März 1899 schrieb Ortsvorsteher Strauß an den Bürgermeister Vacano von Fraulautern: "Herr Steiger Both sagte mir gestern, dass der Herr Obersteiger sich ihm gegenüber geäußert habe, wenn die Hülzweilerer den Brunnen auf Peterborn nähmen, bekämen sie einen Prozess. Derselbe gehöre der Grube, die ihn mit anderen Brunnen gekauft habe."

Mit den Zugeständnissen von 1845, dass eine Wasserleitung von den Hülzwzeiler Quellen auf Peterborn nach Schwalbach zu verlegen sei, glaubte die Grubenverwaltung, alle Wassenvorhaben dieses Gebietes allein ausbeuten zu können.

So beklagte sich der Ortsvorsteher Strauß irrt Jahre 1900, dass die Grube Nachgrabungen durchführe, um die Häuser am neuen Schacht in Schwalbach mit Wasser zu versorgen. Es würden mindestens 1000 Liter pro Minute den Quellen entzogen, um die Drückbrunnen in diesem Gebiet zwischen Griesborn und Ensdorf zu versorgen. Der mutige Ortsvorsteher ließ nicht locker. Im Jahre 1902 veranlaßte er erneut Messungen auf Peterbom. Eine ergiebige Quelle bringe 20 Liter pro Minute, schrieb er dem Bürgermeister von Fraulautern und bat um Unterstützung in dieser Angelegenheit.

Einer Aktennotiz des Kreisarchives Saarlouis können wir entnehmen, das Bürgermeister Neis aus Fraulautern am 17. Juni 1912 nach Düsseldorf reiste, um eine genaue Festsetzung der Baukostensumme, die bis dahin mit 145.000 Mark veranschlagt war, zu erreichen.

Das Ingenieurbüro Ehlert aus Düsseldorf war mit der Planung der Waserleitung beauftragt worden.

Am 08. Februar 1913 reiste Bürgermeister Neis nach Trier und verhandelte mit dem Geheimen Regierungsrat Hartmann über eine Beihilfe für dieses Bauvorhaben. Im selben Jahr wurde nun auf den Höhen des Schützenbergausläufers das große “Wasserbassin" gebaut. Von der ebenfalls neu errichteten Pumpenstation in der Brunnenstraße wurde das Wasser der bereits 1909 gebauten Wassereinzugsstollen im Bereich Peterborn nach dort gepumpt und so zu den einzelnen Hausanschlüssen geleitet.

Ein jahrhunderte langer Kampf hatte sein vorläufiges Ende gefunden. Zwar gab es wieder in den verschiedensten Zeiten Störungen in der Wasserversorgung des Ortes, sie wurden aber meistens sehr schnell von den jeweiligen Gemeindevertretungen behoben.