Brauchtum

 
Brauchtum

Das Brauchtum in Hülzweiler von Anton Altmaier

Der Leser wird, wenn von Brauchtum geschrieben wird, immer an die kleinen, abseits gelegenen Dörfchen denken‚ in denen sich zu bestimmten Zeiten Vorgänge und Handlungen abspielten, die den Städtern fremd geworden sind. In der Tat haben sich in unseren Dörfern manche Sitten und Bräuche erhalten, über die der Städter und Industriemensch lächelt und vielleicht als Unsinn abtut.

Andere hingegen freuen sich über diese Dinge, hinter denen sie den Hauch der Vergangenheit der Bauerngeschlechter spüren, denen sie entstammen, wenn sie auch nicht mehr mit der Scholle verbunden sind.

Den Landbewohnern sind ihre Bräuche keine hohlen Phrasen sondern sind ihm ein ewiges Vermächtnis. Brauchtum ist für ihn ein Erbe, in dem die Väter wieder Gestalt annehmen und die Vergangenheit lebendig wird.

Die meisten Bewohner von Hülzweiler sind Bergmannsbauem, die ein einfaches Leben führen. Die Familie begegnet sich in Achtung und Liebe. Im Mittelpunkt steht der Vater, ihn begleitet die ganze Liebe der Kinder und die Sorge der Mutter, wenn er zu Schicht geht. Stets achtet die Frau darauf, dass er sein “Schichtenbrot” bei sich hat. Der Vater bekreuzigt sich mit “Weihwasser”, wenn er das Haus verlässt. Man freut sich, wenn er gesund von der Grube oder der Hütte zurück kommt, und die Kleinen hoffen auf ein Stück des begehrten “Hasenbrotes”, einem Rest vom “Schichtenbrot” des Vaters. Nur wer selbst einmal “Hasenbrot” gegessen hat, weiß wie gut es mundet.

Betrachten wir die Familienereignisse etwas näher.

Als freudiges Ereignis steht die Geburt eines neuen Erdenbürgers in ihrem Mittelpunkt. Man versucht bald eine Ähnlichkeit mit dem Vater oder der Mutter herzustellen. Der ist "gehauzt un gespautzt" sein "Pappen" oder sein “Mammen" sagte man oft. Die Nachbarinnen statteten der "Kindbettasch" (Wöchnerin) ihren Besuch ab, oft um den Vorwitz zu befriedigen. Am Sonntag nach der Geburt findet nach Möglichkeit die Taufe statt. "Patt und Good“ stehen dann als Hauptpersonen im Minelpunkt. Bei der Auswahl der Paten ist man sehr wählerisch. Die Eigenschaften der Paten könnten sich auf das Kind übertragen.

So sträubt man sich heftig, z.B. einen Trinker als Paten für einen Buben zu nehmen. Von der Sitte, unter allen Umständen dem Täufling den Namen des Paten zu geben, ist man die letzten Jahre abgekommen. Wer zum ersten Mal Pate wird, muss sich gefallen lassen, mit dem "Strohwisch" abgerieben zu werden.

Früher gaben auch junge Burschen vom Schützenberg Böllerschüsse ab, wenn das Kind zur Taufe getragen wurde. Ihnen wurde zum Dank hinterher Bier gezahlt. Wenn die Taufe vollzogen war, wurden Patt und Good vor der Kirche von einer großen Schar Kinder empfangen und mussten "Zuckerkäären" ausstreuen, anderenfalls wurden sie "Strohpatt" und "Strohgood" gehänselt.

Ab dem ersten Lebensjahr bringen nun Patt und Good dem Kind an Neujahr und an Ostern ein Geschenk. Beide Paten werden in der Familie hoch geachtet, und für die Paten und Patinnen besteht ein lebenslanges inniges Verhältnis zum Kind.

Die Paten werden später zu allen Festen des Patenkindes eingeladen. Am "Naatmoolstag" (Tag der Erstkommunion) schenken die Paten den Kindern etwas Besonderes, an das sie sich ein Leben lang erinnern sollen. Oft gab es, wenn Patt und Good "sich gut standen", schon mal eine Uhr als Geschenk. Auch später, wenn die Paten noch lebten, wurden sie zur Hochzeit eingeladen und hatten an der Hochzeitstafel einen Ehrenplatz.

Bei Begräbnissen kam es oft vor, dass die Sargträger nur aus den Patenkindern ausgewählt wurden, denn es war keine Seltenheit, dass es Männer und Frauen gab, die l0 mal oder noch öfter in ihrem Leben Paten gewesen sind.

Umgeben von der Liebe der Mutter wächst das Kind auf in der Familie. Vielleicht ist es gerade diese Liebe, die so viel Aberglaube hat kommen lassen, der sich um das Kind spinnt.

Oft war man ängstlich, wenn eine alte Frau, die man nicht näher kannte, sich dem Kind näherte. War es die Hexe? Auch das weit verbreitete "Brauchen und Benschen" wurde oft ausgeübt, wenn das Kind einmal krank war und man nicht genau wusste, was ihm fehlt. Dann gingen viele zu der Frau, die "brauchen" oder "benschen" konnte.

"Brauchen oder Bensehen" nannte man das "Gesundbeten“, das von Frauen, seltener von Männern, ausgeübt wurde. Man brachte das Kind zu dieser Person, und diese betete bestimmte Verse und berührte das Kind mit der Hand. Von der Kirche wurde dies nicht gerne gesehen, aber es gab auch Geistliche, die dieses praktizierten.

Anmerkung van Otto Wilhelm:
"herrschen" : laut Karl Conrath in Wfarelfränkisches Wörterbuch" = "beten, segnen" - vom lateinischen "benedicere"
"brauchen ".: "gesundbeten ".