Lesebuch von Otto Wilhelm
Lesebuch von Hülzweiler
Geschichte(n) und Landschaft
von Otto Wilhelm & Co-Autoren
Digitalisierung und Internetaufbereitung: Hans Günter Groß
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Laurentiusstatue
Oskar Goebel
Expertise zur Laurentiusstatue
08.04.2002
„Die Welt schreibt das Jahr 1945. Ein unseliger Krieg naht sich dem Ende (2.Weltkrieg 1939-1945)
Alle Fronten in Ost, Süd, West und Nord brechen zusammen. Es gibt nur noch Tote oder Gefangene. Mein Bruder Jupp ist in Griechenland in Gefangenschaft, Ich geriet nach den Rückzugskämpfen durch das Elsaß, Pfalz, Baden, Württemberg und Bayern am 1. Mai 1945 bei Heilbronn in amerikanische Gefangenschaft. Seit August 1944 hatte ich keine Nachricht mehr von meinen Lieben daheim, die zweimal evakuiert wurden (Hackenheim bei Kreuznach und Saarwellingen). Wie ich später erfuhr, erhielten auch sie keine Post mehr von mir.
Mitte Juli 1945 wurden wir gegen Abend in einen langen Gefangenentransportzug (offene Waggons) verfrachtet, der uns — nach einer Lagerparole — zur Entlassung nach Ludwigshafen bringen sollte. Die Richtung stimmte. Die Waggons rollten — aber über Ludwigshafen hinaus über Straßburg, dann quer durch Frankreich bis zur Kanalküste. In Bolbec kamen wir in ein Zwischenlager, danach in ein größeres in Le Havre, wo wir bis Anfang August blieben. Hier wurde erneut ein Gefangenentransport zusammengestellt, zu dem auch ich gehörte.
Wir fuhren dieselbe Strecke zurück. Als wir den Bahnhof Metz passierten, folgerte ich, dass unsere Weiterfahrt wohl über Überherrn gehen würde. Hier konnte ich vielleicht ein Lebenszeichen geben. ich schrieb auf einen Zettel die Adresse von Hülzweiler dazu: << Es geht mir gut, bin gesund und werde wohl bald entlassen».
Der Zug hielt tatsächlich auf dem Bahnhof Überherrn, Als er sich wieder in Bewegung setzte, sah ich einen Buben in einer Entfernung von 100 — 150 m, der auf einer Haustüre stand. ihm winkte ich, machte durch Gesten aufmerksam, dass ich einen Zettel abwerfen werde. Ich hatte Erfolgt Wie ich später erfuhr, fand der Junge meinen Zettel und brachte ihn nach Hülzweiler. Hier wurde er abgegeben auf Laurentiusstag ( 10. August 1945).
Unser Transport endete in Heilbronn. Wenige Tage danach wurde ich entlassen und konnte meine Lieben in die Arme schließen.
Nun warteten wir auf ein Lebenszeichen von meinem Bruder Jupp. Als er dann Anfang Dezember 1945 entlassen wurde, war die Freude groß und wurde gefeiert.
An einem Sonntagnachmittag lud Papa Jupp und mich zu einem Spaziergang zur Laurentiuskapelle ein. Hier erzählte er uns; ich zitiere Papa: << Ich habe mit ihm — dabei zeigte er auf den Laurentius, der durch die Kriegsjahre stark beschädigt war — einen Vertrag gemacht und ihm gesagt: Wenn du meine beiden Söhne heil heimbringst, dann stelle ich einen neuen Laurentius hier hin, und zwar umsonst. Ich bin mit den beiden hier, du hast den Vertrag erfüllt, nun werde ich auch meinen Teil erfüllen.»
Und so entstand dann später — gemeißelt — der Laurentius Nr. 2. Vater suchte lange Zeit nach einem geeigneten Steinblock, doch ergebnislos. 1949 sagte er sich, dass es an der Zeit sei, an den Laurentius zu gehen (2 Jahre später starb Vater, am 29.12.1951).
Er machte eine entsprechende Form aus Holz und füllte diese mit Terrazzo (wie die Grabsteine). Aus diesem Block meißelte er dann den Laurentius, wie wir ihn kennen. 1949 fand er dann an der Kapelle seinen Platz.
1984 ließ der Pastor Biesel das innere der Kapelle renovieren und die Außenanlage neu gestalten. in diesem Zusammenhang musste der Laurentius — er war beschädigt — seinen Platz räumen. Pastor Biesel wollte ihm einen Ehrenplatz im Pfarrgarten geben. Darüber unterrichtete mich der damalige Ortsvorsteher Viktor Becker. ihm gegenüber sagte ich meine NEIN zu diesem Plan und begründete es auch (unser Sonntagsbesuch an der Kapellel). — Einige Tage später brachten 3 Gemeindearbeiter auf einem 2- rädrigen Anhänger unsern Laurentius zu unserem Anwesen, wo er einen geeigneten Platz fand, umgeben von Blumen und Forsythien.
Jeden Sonntag und an jedem Familienfest erhält er sein Lichtchen; er ist ganz einbezogen in unser Familienleben.
Ein besonderer Dank gilt meinem Sohn Bernd, dem die Statue sehr am Herzen lag und sich sehr um sie kümmerte. Er ersetzte die fehlende linke Hand und erneuerte auch die Siegespalme in der rechten Hand. Er war es auch, der nach einigen Jahren den Standort änderte, er war es auch, der die Statue zum Balkon brachte, wo sie überdacht steht. Typisch Bernd: Er brachte sie nach dort, während die Eltern im Altenkreis waren.
NB. Die neu geschaffene Laurentiusfigur fand bei der Bevölkerung wenig Gefallen. Zitat aus der Hülzweiler Chronik von Otto Wilhelm: <<..._auch die moderne Figur des Heiligen hat nichts von der frommen, volksnahen Statue, die einst CM. Goebel schuf. >>“.
Hülzweiler, 08.04.2002
Laurentiusstatue Nr: 1 Foto von 1930
Oskar Goebel
P.S.: Die erste Laurentiusstatue war aus Sandstein.
Foto: Aus der Sammlung von Peter Strumpler
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Hülzweiler wird selbständige Gemeinde
Auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates von Hülzweiler vom 28.Juli 1948‚von Ensdorf vom 4.August 1948 und des Verwaltungsausschusses von Ensdorf vom 11.Januar 1949‚ wird der Verwaltungsbezirk Ensdorf mit sofortiger Wirkung aufgelöst und die beiden Gemeinden lösen ihre Angelegenheiten selbst.
Das Amtsblatt vom 18.Februar 1949 listet die Ausführungsbestimmungen genau auf und nennt in Punkt sieben des Textes die Gründung eines Kassenzweckverbandes.
Hülzweiler ist nun wieder eine vollkommen selbständige Gemeinde. So war es nur selbstverständlich‚ dass den kommenden Gemeinderatswahlen eine besondere Bedeutung zukam.
Am 27.März 1949 wurde nun gewählt. Zum ersten Mal verspürte man so etwas wie eine Wahlkampfstimmung. Bei hoher Wahlbeteiligung kam es zu folgendem Ergebnis:
Wahlberechtigte: 2 585. Abgegebene Stimmen: 2 427.
Sitze im Gemeinderat:
CVP = 12
SP5 = 6
DPS = 4
KP = 1
= 23 Sitze
Am 6.April fand im Saale Johann Schwinn in einer öffentlichen Sitzung die Wahl des Bürgermeisters und seiner Beigeordneten statt‚ mit folgendem Ergebnis:
Josef Theobald wurde mit 23 Stimmen zum Bürgermeister gewählt.
Bei der Wahl waren alle 23 Mitglieder des Rates anwesend:
CVP=Christliche Volkspartei:
1. Heinrich Rech
2. Matthias Kohn
3. Peter Kessler
4. Johann Leblang
5. Josef Theobald
6. Mathias Strauß
7. Peter Rupp
8. Peter Lessel
9. Josef Paulus
1o. Johann Sander
11. Johann Schmitt
12. Franz Knauber
SPS = Sozialdemokratische Partei Saar:
13. Nikolaus Quinten
14. Peter Schmidt
15. Walter Becker
16. Johann Bernard
17. Josef Strauß
18. Josef Riem
DPG=Demokratische Partei Saar:
19. Peter Kirsch
2o. Klaus Hoffmann
21. Alois Kreutzer
22. Alois Kerber
KP =Kommunistische Partei Saar:
23. Hans Erwin
Die Wahl erfolgte geheim. Zum ersten Beigeordneten wurde Nikolaus Quinten.SPS‚mit 12 Stimmen‚ gegen Heinrich Rech‚ CVP‚ mit 7 Stimmen gewählt. Zum zweiten Beigeordneten wurde Peter Kirsch‚ DPS mit 12 Stimmen‚ gegen Josef Paulus CvP‚ mit 10 Stimmen gewählt.
Josef Theobald Bergmann und Landwirt geb.23.12.1881 vor 1935 Mitglied der Zentrumspartei Mitglied des Gemeinderates bis 1935 1946 Mitgründer der CVP in Hülzweiier Ortsbürgermeister von 1946/56 CDU
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Hülzweiler 1789
“Cahier de doleances des communautees en 1789”
(Bitt- und Beschwerdeschrift der Gemeinden 1789)
Um uns über die Zustände und Verhältnisse in unserer Heimat und speziell über diese in Hülzweiler, wie sie sich kurz vor der französischen Revolution darstellten, zu informieren, stehen uns eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung. Kirchenakten und Steuerlisten, Verkaufsverträge und ähnliches sind uns bekannt.
Doch gibt es kein Dokument, das uns wie die im Jahr 1789 verfasste Beschwerdeschrift “Cahier de doleances” so ausführlich über die Situation in Hülzweiler berichtet.
In politischer Hinsicht war die im Jahre 1766 erfolgte Angliederung an Frankreich nicht von einschneidender Wirkung gewesen: Die Person des Souverän war geblieben, die Äbzessin von Fraulautem als Grundherrin weiter bestätigt, und die kirchliche Zugehörigkeit zur Diözese Trier war bestehen geblieben.
Die Lage der Landbevölkerung war weiterhin bedrückend. Hohe Steuern und Fronde belasteten die armen Leute und legten auch Handel und Wandel Fesseln an. Sie hemmten jede Weiterentwicklung. In dieser Zeit wandte sich die Landbevölkerung, wohl inspiriert und auch angeleitet durch den aufkommenden Zeitgeist und Reformwillen in den größeren Orten und Städten in einer Klage- und Beschwerdeschrit an den König von Frankreich. Zwar hatte es auch in den Köpfen der Bauern und Tagelöhner eine Vorahnung von Reformen und Freiheiten gegeben. Doch ist kaum anzunehmen, dass die Schriften selbst ihrer Feder oder gar ihrer Köpfe entsprungen sind. "Die Abfassung der “Cahier” deuten auf-schriftgewandte und hinreichend aufgeklärte Personen hin.
Bei zahlreichen Schritten kann man in verschiedenen Gemeinden eine große Übereinstimmung in der Formulierung und in der Aufzählung der Klagen und Beschwerden erkennen. So ist die Zahl der absolut selbständigen und individuellen “cahiers” sehr beschränkt. In Hülzweiler stellen wir jedoch eindeutig fest, dass es sich um eine genau auf den Ort zugeschnittene Fassung handelt. Die detaillierte Aufzählung über Abgaben und Steuern, die Angaben über die Verhältnisse in Wald und Flur beweisen dies. Auch ist der Umstand, dass der “Maire” und 19 weitere Personen namentlich unterschrieben haben ( davon eine Person mit Handzeichen) ein Beweis für eine bewusste Willensäußerung. Die formale Abfassung zeigt jedoch klar, dass kein einfacher Landmann diese Schrift verfasst hat. Es könnte im besten Falle der Ortsgeistliche Nikolaus Leistenschneider als Verfasser gelten, obschon er nicht zu den Unterzeichnem gehört hat. Die Möglichkeit, dass ein Verwandter von ihm, ein Geistlicher namens Matthias Leistenscbneider, der später als “geschworener Priester” auftrat ( “Prätre Constitutionel“), in Frage kommen könnte, besteht auch. Dieser Matthias Leistenschneider trat später in der Revolutionszeit in Hülzweiler als “agent de 1a commune” auf und führte die Kirchenbücher. Seine tatsächlich Mitwirkung bei den “cahiers” kann jedoch nicht nachgewiesen werden, wenn es auch im Schlusskapitel heißt: “Abgefasst in der Rechtskanzlei von Höltzweiler."
Viel wichtiger als diese Spekulation ist es, die Steuerlast der Gemeinde einmal in einen Vergleich zu dem Vermögen der Gemeinde zu bringen.
Wenn wir die jährliche Salzsteuer von 627 Livres zum Vergleich mit dem Handelswert eines Pferdes stellen, so wird dies sehr deutlich. Der Verkaufswert eines Pferdes lag durchschnittlich bei 80 Livres. Die jährliche Salzsteuer kam die Gemeinde also so teuer wie der Ankauf von 7 bis 8 Pferden. Das Gesamtsteuersoll der Gemeinde von 1.549 Livres hatte also den Vergleichswert von 19 Pferden.
Sicher ist dies eine laienhafte Darstellung. Doch zeigt sie eindrucksvoll die enorme Belastung der Landbevölkerung am Vorabend der Französischen Revolution in unserem Land. Die Bevölkerung von Saarlouis und Umgebung war damals sehr empfänglich für die neuen sozialen Ideen, und es kam diesbezüglich zu Ausschreitungen in einigen Orten. Über unseren Ort ist diesbezüglich nichts bekannt geworden.
Cahier des doleances de 1a communautee de Hultzweiler — Beschwerdeschrift der Gemeinde Hülzweiler, l0. W11 1789 —
Die Gemeinde Hülzweiler bezahlt jährlich an Subvention 243 Livres l9 Sous, für die Brücken und Wege und andere Nebenabgaben 23 Livres, Z Sous und 9 Derniers, als Zwanzigstel 25l Livres, 12 Sous und 2 Derniers, als Barleistungen für Straßenarbeiten 78 Livres, l8 Sous und 6 Derniers, als Salzsteuer 627 Livres und 18 Sous, für 36 Pfund Tabak in zwei Sorten 124 Livres, also zusammen 1.549 Livres 11 Sous und 9 Derniers.
Außerdem die Beleuchtung der Kirche, den Wein für die Messen und andere in der Gemeinde unumgängliche Kosten, die nicht erlauben, noch eine Sache in Angriff zu nehmen, da der Kirchenrat arm ist und die Gemeinde ohne kommunale Einnahmen.
Alle diese Ausgaben sind eine zu starke Belastung für ein kleines Dorf, das insgesamt nur 45l “jours de terre” ( = Tagewerk Grundbesitz) hat, 44 1/2 “fauchees” ( = Tagewerk eines Mähers : Wiesen), 24 “jours” Gärten und Hanffelder und kein anderes gemeindeeigenes Land besitzt und auch ohne andere Einnahmen ist.
Zu dem wenigen Land, das die Gemeinde besitzt, kommt noch, dass ein Drittel ihres Bodens von solch mittelmäßiger Qualität ist, dass der Bauer, ohne dass er der Natur nachhilft mit Dünger, die er suchen muss, nicht hoffen kann, durch eine gute Ernte für seine Unkosten und Mühen entschädigt zu werden. Außerdem muss ein Drittel des Bodens immer brach liegen und drei Jahre ruhen, damit man aus ihm Ertrag ziehen kann.
Die Wiesen sind bei weitem nicht ausreichen für den Unterhalt allen Viehs des Dorfes Die Bauern, die keinerlei Wiesen auf anderem Bann haben, müssen sich Heu aus den Dörfern entlang der Saar verschaffen oder manchmal von viel weiter her.
Das Salz ist zweifellos ein ganz unentbehrlicher Gegenstand. Jedermann braucht es. Es ist überaus nützlich für das Vieh. Aber welch schreckliche Nebenbelastung durch den Preis dieses unbedingt notwendigen Lebensmittels, da wir verpflichtet sind, für 26 Zentner Salz 627 Livres 18 Sous zu zahlen, während unsere nächsten Nachbarn hier 70 Zentner für dasselbe Geld haben. Welche Vorteile haben nicht unsere Nachbarn, da sie ihren Vieh soviel Salz geben können wie es braucht, um in eigener Kraft erhalten zu werden.
Es ist unnütz, sich noch weiter über diese Sache auszulassen, die Gegenstand der öffentlichen Meinung und der allgemeinen Klage ist, ebenso wie über die Sache mit dem Tabak: Da. nämlich der Arme, der kein Brot hat, um es seinen Kindern zu geben, dennoch verpflichtet ist, seinerseits Tabak zu beziehen, weil er Mitglied der Gemeinde ist und sich gegen diese unerträglichen Hausdurchsuchungen schützen muss.
Außer den oben genannten Belastungen entrichtet die Gemeinde Höltzweiler noch an die Frau Äbtissin von Fraulautem in ihrer Eigenschafi als Gutsherrin “ l8 quatres” 1/2 “bichets” Roggen, sieben Kannen Wein, geschätzt auf 50 Sous, 15 Masthähnchen und l1 Hühner, einen Fuder Wein von der Untermosel her zu transportieren, vier Tage Fronarbeit für jedes Mitglied der Gemeinde, an denen er mähen muss, ihr Heu machen, ihr Getreide ernten u.a., jeder Bauer zwei Tage, an denen er mit seinen Pflügen ihr Land pflügen muss.
Die Frau Äbtissin lässt die jährlichen Rechtsstreitigkeiten abhandeln, zieht die Strafgelder ein, besitzt “le droht de Chef d‘Hotel” ( Besthaupt) und zieht den Drittel- Dernier (“dritten Pfennig”) ein. Das “Besthaupt” und der Drittel-Dernier sowie die dem Gutsherrn geschuldeten Fronarbeiten sind zweifellos ehemalige Folgen des Feudalsystems, die die Natur aufseufzen lassen.
Ein König verlangt sie nicht, während einige Gutsherren sie mit solcher Härte anwenden, dass sie von Neuem die Witwe betrüben, die soeben ihren Gatten verloren hat.
Für das Dorf Höltzweiler besteht ein sehr nachteiliger Missstand, verursacht durch die Gemeinde Loutre, die von hier nur eine halbe Meile entfernt sich auf französischem Boden befindet. Deren Einwohner schicken ihre Herden zum Weiden auf unsere “finage”, ungeachtet der Vorschriften und ohne zu wissen, welche Anrechte sie darauf haben, während uns vor allem Weideland fehlt, weil unser Bann so klein ist. Derjenige von Loutre (Fraulautern) ist viel ausgedehnter: Diese Sache verdient die ganze Aufmerksamkeit.
Die Herrschaft über die Wiesen und Wälder ist zweifellos eine sehr schöne und gute Sache, sehr nützlich für den Erhalt des Waldes, aber ebenso ist sie für die Gemeinde sehr lästig und sehr kostspielig wegen des hohen Preises, den diese M.M. mit ihren Maßnahmen verbinden. Im Jahre 1783 werden die Wälder der Gemeinde Höltzweiler abgegrenzt und in 28 Flächen für Einschläge eingeteilt, nicht inbegriffen das Viertel in Reserve, das aus 248 Morgen besteht.
Die Gemeinde beklagt sich mit Recht, dass man als Reserveviertel den besseren Teil gewählt hat, denjenigen, der am besten aufgeforstet ist und den reichsten Holzbestand hat, während sie zu eigenem Nutzen die Einschlagflächen hat, die so wenig Holz abgeben, dass sie nicht halb soviel davon besitzt, wie sie zu ihrem Gebrauch benötigt. Der Wunsch der Gemeinde wäre, dass man das Reserveviertel gegen solche Einschlagflächen austauscht, die bereits abgeholzt sind. Das würde den Privatleuten in vielem Erleichterung verschaffen. Andererseits hätten die Einschlagfiächen, die man neu in der Reserve hält, Zeit sich wieder aufzuforsten.
Die Anweisung einer Einschlagfläche und das Recht zum Anlaschen ( Markieren) kostet die Gemeinde jährlich drei Livres, l0 Sous pro Morgen. Die Einschläge bestehen aus 36 bis 40 Morgen, dazu kommt das Zwanzigstel des bezeichneten Holzes, das sind 70 Livres. die Fläche, die in diesem Jahr geschlagen wurde, war die Kosten wirklich nicht wert. Sie hat die Gemeinde außerdem 1.000 Livres gekostet für die Markierung ihrer Wälder und die Aufteilung der Einschläge.
Die Gemeinde ist Überdies beständig anderen Unerträglichkeiten ausgesetzt. Ihre Wälder grenzen an andere Dörfer, die keine Wälder haben. Trotz der Wachsamkeit zweier Waldhüter, die die Gemeinde benannt hat, um auf die Schäden in ihren Wäldern zu achten, fallen unsere Nachbarn manchmal scharenweise in die Wälder ein, richten sehr viel Unordnung an, indem sie alles, was ihnen unter die Axt kommt, abhauen zum größten Schaden der Bürger dieses Dorfes. Die Folgen davon sind noch viel empfindlicher, weil nämlich die Förster der “gruerie" von Bouzonville oder von anderswo ihre Visiten in den Wäldern machen, die Schäden und die angestellten Verwüstungen vorfinden, daraufhin ihre Berichte zu Lasten der Gemeinde abfassen, die dann ihrerseits sich verurteilt sieht zu Ordnungsstrafen und zu Schadenersatz, zu deren Bezahlung sie verpflichtet ist, wogegen sie das Übel nicht begangen hat, und sie ihr Holz verloren hat und das alles, ohne dass sie dem hätte zuvorkommen oder es hätte verhindern können.
Das Ausschneiden von Schösslingen (Wildwuchs) ist noch eine Last, die unsere Nachbarn nicht haben. Die allzu hohen Gebühren fiir dieses Verfahren rufen die Beschwerden der Leute hervor, die so viel Not haben, alle allgemeinen und besonderen Bedürfnisse zu befriedigen.
Augenblicklich sind alle Schichten der Ackerbauern am Klagen, außer diejenigen, denen es an nichts fehlt, haben sie doch einen der längsten und härtesten Winter ertragen, einen Winter, der immer noch nicht am Ende ist. Die Futtervorräte sind zum größten Teil aufgebraucht, alle Tiere sind in schlechtem Zustand, so dass sie nur mit Mühe ihre Feldarbeit verrichten können, die sich erst bei schönem Wetter häufen wird. Der größte Teil ist ohne Korn, was sie nun sehr teuer kaufen müssen wegen der
schlechten Ernte, die sie das letzte Jahr gemacht haben. Zu allem {Übe} kommt noch: Die Kartoffelernte, welche die beste und nützlichste Reserve fiir die armen Leute ist, ist durch den starken Frost verloren, und als letzte Überbelastung haben alle die drei ‘Zahlungen vorzunehmen.
1 die Salzsteuer zum nächsten 1. April,
2. die Subvention
3. das Zuranzigstel
Gott weiß, wie sie in diesem Jahr ihrer Verpflichtung nachkommen können bei so vielen Bedürfnissen und so wenigen Reserven.
Die Gemeinde Holtzweiler, ohne Ausnahme und einstimmig, richtet ihre Wünsche zum Himmel bittet den Herrn ganz ergeben, er möge sie erhören und Seine Erhabene Majestät, unseren König; in seinem wohltätigen Empfinden bestärken zur Erleichterung seines stöhnenden Volkes. Er möge den Mitgliedern, die die Generalstände bilden Einsicht, Einheit und Eintracht gewähren, damit sie in dieser Übereinstimmung mit Einsicht und Klugheit dahin gelangen können, zur Erleichterung des Volkes die Missstände zu reformieren und zum Wohlstand des Königreichs beizutragen.
Verfasst in der Rechtskanzlei von Höltzweiler am l0. März 1789. Für die Gemeinde haben unterzeichnet:
Johannes Jungmann (Maire), HP. Blass, Jacob Schmitt, N Wolf, H. Loew, Joh. Linn, Iac. Klein, Dompell (7), Schmidt, Fetter Jacob, Jo. WolL Willem Jungmann, 2x’. Theobald, Jacob, Sander, P. Leidinger, Jacob Strauß, Franz Linn, Heinrich Freidag, Mail-t Jungmann, (Marque Peter Kutscher)....r.
Die Bedeutung der französischen Bczciffc in {Im} “Cahier de doleances”
Otto Wilhelm:
bichet —— Scheffel ( Hohlinaß, 30 - 300 Liter)
Fuder : Hohlmaß, 700 — 1900 Liter( deutsches Maß)
Morgen je nach Gegend 25 - 396 ar ( deutsches Maß)
Abonnement ( vingtieme) : Zwanzigstel ( Steuerabgabe)
gabelle = Salzsteuer
le droit de Chef d’hotel — Besthaupt ( Steuerabgabc beim Tod des Hausherrn mit dem .........................................“besten Stück”)
ferme = königliches Finanzpachtamt mit Monopol maltrise = Wasser- und Waldrecht
guerie = Forstgericht
doleance = Klage, Beschwerde
cahier = Papier, Schrifi
plante = Klage
remonstratences = Verwarnung
jours teures = Tagewerk
fauches = Mäher
Schaftgeld = Steuerabgaben, zumeist in Naturalien Drittel-dernier = Steuer (“der dritte Pfennig”)
demier = kleine Münze ( etwa ein Pfennig)
Livre = Münze = ein Pfund; vier Livres : ein Reichstaler;240 demiers; ein Livre : 20 Sous
Sous = 5 Centimes capitation : Kopfsteuer
Subvention = Grundsteuer
Anmerkung zu den Währungsbegriffen:
Der heutige Leser kann mit den alten Münznarnen nicht mehr viel anfangen, da sie — wie auch die Maßeinheiten - über Kauflcrafl und Wert nichts aussagen können. Der Fülle der unterschiedlichsten Münzen, Maße und Gewichte im ländlichen Raum unser Heimat war sehr gmß und verschieden. Vor 1800 kursierten im lothringischen Teil unseres Kreises lothringische Franken, französische Livres, Ecus (Taler), Reichstaler (Trier) u.s.w. . Die zu dieser Zeit geltenden Währungen teilten sich nicht durch l0 oder 100 sondern durch 12 und 20, 24 und 36. Entsprechend war die Stückelung der Münzen.
Geld und Metallwert waren damals identisch, d.h. der Edelmetallwert bestimmte den Wert der Münze. Praktische Schlüsse hinsichtlich der Kauflkrat, bezogen auf die heutige Zeit, sind kaum möglich. Das Nebeneinander vieler regionaler und ausländischer Währungen bewirkte die Schaffung von führenden Währungseinheiten.
Wertverhältnis des fiz. Livre:
10 Livres = l Pistole
10 Livres = 3 1/5 kleiner Ecus
4 Livree = 1 Rcichstaler - Conventions - Courant
1 Livre = 6 2/5 Sols d’or
20 Sols toumois
240 derniers toumois
Unsere Heimat hatte durch die zeitweilige Zugehörigkeit zu Frankreich in der Zeit von 1793 bzw. 1798 - 1316 ( Beginn der preußischen Zeit) mit dem französischen Franken eine Währung im Dezimalsystem. Nach 1816 kam die Rückkehr zum alten 12-er System.
In säen Steuerakten unserer Heimat spielt das Livre eine bedeutende Rolle. Zur Zeit der französischen Revolution aber wurde das Livre in eine Fremdwährung umgewandelt.
Zur Verdeutlichung der Kauikrafi einige Beispiele aus dem l8. Jahrhundert:
Preis für ein Pferd : 25 - 40 Gulden
1 Gulden = 2 1/2 frz. Livres
So lässt sich mit Einschränkungen etwas Licht in die Lebensverhältnisse unserer Vorfahren bringen hinsichtlich der Beschwerdeschrift von 1789.
Otto Wilhelm und Hans Knauber
Nachtrag zum “Cahier de doleance”
Anlässlich der großen Ausstellung der Philatelisten “ArGe Saat" in Hülzweiler vom 11. 4. bis 13.04.2003 im Kulturhaus beteiligte sich der Heimatkundliche Arbeitskreis von Hülzweiler mit dem Beitrag “850 Jahre Wilre - Hülzweiler”. Die Aussteller waren Marion Hirschmann, Josef Strauß, Otto Wilhelm, Heinz Bernard und Hans Knauber.
Hans Knauber stellte neben der schriftlichen Erklärung der Urkunde “Cahier de doleance” das Original der Urkunde vor, eine Besonderheit und ein Prunkstück der Ausstellung.
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ZEHNTAG VON CLAUS SCHMAUCH; LEHRER IN HÜLZWEILER
Martini stand vor der Tur. Die ersten Fröste zogen sich wie Silber über die Felder und Wiesen. Auf den Jauchegurben der Grunddörfer der Abtei Fraulautern lag die erste, schmutzige Eisschicht. Die zerfahrenen, tief gerillten Dorf- und Feldwege sind steinhart gefroren. Die Grundbauern stehen mit ihren Kindern und dem Gesinde den ganzen Tag auf der Scheunentenne und lassen die Flegel auf die Fruchtgarben fallen, dass die Scheune dröhnt und die Körner nach allen Seiten spritzen.
Am Martinitag muss die erste Frucht aus den Garben sein, denn die Äbtissin von Fraulautem zieht an diesem Tag den Zins und die Pacht von ihren Hörigen. Bis in den späten Abend quietschen die dickbauchigen Wannmühlen in den Scheunen und blasen den Fruchtstaub auf die Gassen. Ein Fass Frucht nach dem anderen entleert seine Körner in die Leinensäcke Die Bäuerinnen rumoren im Kuhstall unter den Hühnern herum, greifen sie unter den Flügeln und Wiegen sie abschätzend in der Hand.
An den Abenden zählen die Bauern bei schwachem Schein des Öllämpchens die Taler und die Alben (Munzen) für das Kloster und lassen sie auf den Tisch fallen, um sich von ihrer Echtheit zu überzeugen. Alle die vielen Grundhörigen, die der Abtei Fraulauern zinspflichtig sind, wissen, dass Prior Petrus Ohnmüller, der geistliche Verwalter des Klosters, ein strenger aber gerechter Mann ist, der nicht zu viel und nicht zu wenig begehrt. Und darum suchen sie Von ihren Abgaben nicht das Beste und nicht das Schlechteste aus sondern bewahren die goldene Mitte, um an Martini Vor den prüfenden Augen des Priors und der Klosterkellnerin bestehen zu können und nicht Schelt- und Schimpfworte einzustecken und mit nach Hause nehmen zu müssen.
Als der Martinimorgen, in grauen und kalten Nebel gehüllt, durch die Grunddörfer schreitet und die ersten Hähne in den Ställen krähen, stehen die Zinsbauern schon mit der Stalllaterne an der Futterkrippe und schütten den Pferden das Häcksel auf. Die Leiterwagen vor den Scheunen sind mit Fruchtsäcken beladen. In den Körben gackern die Rauchhühner. Junge Kälber plärren an der Bremsschraube. Ferkel quietschen durchschneidend die frostkalte Nacht. Dann knallen die Peitschen. Die Hunde schlagen an und springen vor ihre Hütten, und ein Wagen nach dem anderen poltert über den Weg, um den Jahreszins zum Kloster zu bringen.
Nach dem Frühmessläuten halten die ersten Gefährte im Klosterhof. Als die Äbtissin mit ihren Nonnen zum Fnühamt schreitet, steht schon eine lange Wagenkette vor den Wirtschafsräumen des Klosters. Beim Vorbeigehen der Nonnen reißen die Bauern ihre wollenen Zipfelmützen vom Kopf und grüßen mit gekrümmten Rücken, wie es sich für ein armes Leibvolk ziemt. Dann eilen viele von ihnen in die Klosterkapelle, um dem großen Bischof Martinus für den diesjährigen Erntesegen zu danken, während wieder etliche die mitgenommenen Buben bei den Gespannen zurückzulassen, um zum nahen Klosterwirt zu gehen, in dessen warmer Stube sie sich ein paar Becher Kornbranntwein in den kalten Magen binunterlaufen lassen, um das steife Blut zu erwärmen.
In der Klosterkapelle zelebriert Petrus Ohnmüller das Amt und singt mit seiner rollenden Bassstimme die Epistel und das Evangelium so laut und feierlich, dass die Wände dröhnen. Trotz des hohen Gedenktages sind seine Bewegungen hastiger als sonst. Die Unruhe des Zehnttages ist ihm anzumerken, und während er das "ite missa est" singt, ertappt er sich bei der Zehntrechnung des Schwarzenholzer Müllers, der ihm vom vorigen Jahr noch zwei Alben und ein fettes Mastschwein schuldet.
Erzürnt über die Zerstreutheit schlägt er klatschend das dicke Messbuch zu und geht mit hochrotem Kopf in die Sakristei hinüber, wo ihm der Sakristan aus den Gewändern hilft und wo im gemauerten Öfchen ein warmes Holzfeuerchen brennt. Nach dem Morgenkaffee schreitet der Prior zur Schreibstufe hinüber, wo die Klosterkellnerin und der Klosterschreiber schon mit dem Zinsregister auf ihn warten.
Petrus lässt sich in den Lehnstuhl fallen, streckt die Beine weit unter den Tisch, stärkt sich mit einer Prise aus seinem hölzernen Schnupfdöschen und niest nach kurzem Augenverdrehen so laut und erschütternd, dass der erschrockenen Schwester beinahe das Registerbuch auch den Händen fallt. "Gott segne Euch, Herr Prior", dienert der Schreiber mit einem bittenden Blick nach der Schnupfdose, erhält eine Fingerspitze voll Tabak und geht dann mit dem Prior und der Kellnerin in den Klosterhof, der nun Von Menschen und Gespannen wimmelt.
Ein Bäuerlein nach dem anderen ruft die Fistelstimme des Schreibers vor den Prior. Jedem Einzelnen werden vor der Zehntleistung seine Verpflichtungen an das Kloster vorgelesen. Dann beginnen der Prior und die Kellnerin mit der Prüfung der Ochsenfleisch wie frisches Brot und löffeln die steife Gnützensuppe aus dampfenden Tonschüsseln. Dann warten die behaglich verdauend und schwatzend auf den Klosterwein, der ein seltener Genuss ist für die armen Dörfler. Nach dem Genuss des Weines liegt ein lustiges Funkeln in den Augen der Männlein und Weiblein, und als ein paar Bettelmusikanten einen munteren Reigen von ihren Fiedeln kratzen, haben die Stallschweizer ihre liebe Not, um eine Tänzchen auf den Tennen und Scheunen zu verhindern.
Gegen Abend bringen eine von der Ãbtissin gespendete Metzelsuppe mit Schwarzbrot und ein paar Kannen Warmbier den Zehnttag zu einen würdigen Abschluss. Auf dem Heimweg sitzen die Bauern bis spät in die Nacht in den Wegschenken, trinken sich zu, spielen Karten, machen Viehhandel und stiften "Freiereien" unter dem Jungvolk. Der lästige Tag wäre wieder vorbei, rufen sie den Schankwirten zu, schwingen beim Aufheulen des Dudelsacks die Schankmädchen und ihre Weiber und Töchter in schnellem Reigen und bestätigen sich, dass es sich unter dem Krummstab der Abtissin doch recht gut leben lässt, wenn auch schon der Prior und die Kellnerin manche Hühner und Eier verwerfen. Bis auf den Morgen ist auf allen Wegen ein fröhliches Lachen und Sprechen, Wagenrollen und Zurufen. Der vielgenossene Schnaps macht die Heimkehrenden unempfindlich gegen die Kälte.
Eine der wichtigsten Tage im Haushalt der Bauern und des Klosters ist vorbei. Dafür ist am Sonntag Erntedankfest und Martinikirchweih. Juhu, dann wird der Reigen getanzt, und dann kommt wieder der faule Winter mit seinen langen Abenden und seiner Kurzweil in den Spinnstuben.
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Claus Schmauch
Spukgeschichten und Spinnromantik
- die verhexten Katzen -
B. Hild
Wer sein ganzes Leben zwischen Feldern und Wiesen lebt, der sieht und weiß mehr als die Menschen, die in steinernen Mauern in den Städten leben, dem belebt sich die Natur, und er erwacht jeden Tag zu neuem unbekannten, manchmal unheimlichen Leben.
Da kehren morgens die armen Seelen von ihren nächtlichen Umgängen heim, die Kornmuhme und der Feuermann tanzen am Mittag über den Feldern ihren magischen Reigen, und der Kauz, der nächtens auf den erschreckten Wanderer stößt, sitzt regungslos im Baum. Warum ruft er jetzt nicht ?
Der Städter mag darüber spotten und seinen abergläubigen Bruder vorn Lande belächeln. Wer von morgens bis abends hinter dem warmen Ofen sitzt oder hinter dem Schreibtisch arbeitet, kann sich leicht lustig machen. Aber der Landmann und der Bergmann wissen mehr.
Da reitet der "Maldix" des nachts vom Litennont herüber, um am Weiher von Hülzweiler sein Pferd zu tränken, und hinter ihm störmt johlend die Meute seines Tross der Jagdknechte, Die Hexen kommen des nachts aus dem Wald und schlagen das Vieh in den Ställen. Und dringt nicht in der Nacht von den Feldern her gespenstiges Lachen an die ersten Häuser in der "Bärengass", dass die Leute zittern und frieren, die Fenster schließen? Und schleicht nicht da an der "Judenheck" der alte Bauer Gabriel mit dem Grenzstein unter dem Arm umher, den er vor 200 Jahren in seiner Habgier heimlich versetzt hatte ?
Sagt was ihr wollt! Soll doch einmal einer der naseweisen Professoren aus der Stadt des nachts mal durch den Lachwald gehen, wo es nicht geheuer ist und der Hund mit den tellergroßen, feurigen Augen lauert. Vielleicht kommt er dann zu Verstand und sagt nicht mehr, das ist ja sündhaft, an so was zu glauben.
Der hat ja nicht erlebt, wie die "Bless" schon seit Tagen mit hängendem Kopf im Stall stand und nicht mehr fressen wollte. Ein Ahornblatt, das im Stall lag, hatte die Bäuerin achtlos weggewischt und mit der Hand berührt. Am Abend fiel ihr glühend heiß ein, es könnte ein "Hexenblatt" gewesen sein. Sie suchte sofort nach dem "Blatt", doch es blieb verschwunden. Da nahm sie angstvoll die Flasche mit Weihwasser und besprengte den Stall und die Kuh. Der "Bless" aber malte sie ein Kreuz auf die Stirn. Bald war das Tier wieder gesund.
Der schlaue Professor hätte das erleben müssen. Es war doch sonnenklar: Hexen hatten die Hand im Spiel. Vielleicht waren es auch die Katzen gewesen, die als Hexen aufgetreten waren. Man soll ihnen auf den Kopf sagen, "Du bist eine Hexe", denn so verlieren sie ihre Kraft und machen kein Konzert mehr in der Nacht.
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Der Fuhrmann ohne Kopf
Claus Schmauch
Ein Fuhrmann hatte im Wald (von Hülzweiler) Holz geladen, das er nach einer Sägemühle fahren sollte. Als er mit dem schwer beladenen Wagen aus dem Wald bog, war die Nacht hereingebrochen und die Straße mit Glatteis bedeckt. Da die Gäule keine Eisstollen trugen, begannen sie bald zu stolpern.
"Heh, macht die Augen auf brecht mir kein Bein", rief der Fuhrmann, und statt mit den Gaulen zum nächsten Hufschmied zu fahren, schwang er die Peitsche und fuhr weiter. Solange die Straße eben blieb, kam er leidlich vom Fleck. Es dauerte aber nicht lange, da hielt er an einem steilen Berg und kam trotz allem Johlen nicht vom Fleck "Ist denn kein Mensch in der Nähe, der einem helfen kann ?", rief er in seiner Not. Dann fasste er das Gespann am Kopf, knallte und fluchte, johlte und tobte. Aber die Gäule glitten aus und zerrissen schließlich das Geschirr und die Sielen.
"Was habt Ihr für Schinder da am Wagen ?", rief aufeinmal ein Mann den Fuhrmann an, und vor ihm stand ein Mann, der einen Ziegenbock am Strick führte.
"Es liegt nicht an meinen Pferden sondern am Weg", verteidigte sich der Fuhrmann und musterte den Fremden abweisend.
"Und ich wette mit Euch um Euren Kopf, dass mein Ziegenbock den Wagen bis auf die Berghöhe zieht", sagte der Fremde.
"Trollt Euch weiter und haltet mich nicht zu Besten", grollte der Fuhrmann und begann, die Gäule auszuschirren,
"Ich halte die Wette aufrecht, und wenn ich sie verliere, bekommt Ihr diesen Beutel mit Geldâ", rief der Mann mit dem Ziegenbock.
"Einen Narren wird man am Besten los, wenn man ihm zu Willen ist", dachte der Fuhrmann, der nicht ahnte, wer der Fremde war, und schlug ein. Dann band er die Pferde an einen Baum und sagte: "Nun zeigt, was Euer spaßiger Bock kann".
Kaum hatte er ausgesprochen, da stand der Ziegenbock angeschirrt wie von Geisterhand an der Deichsel, und sein Herr schwang eine feurige Peitsche.
"Halt, halt", rief der Bauer entsetzt, "mit dem Teufel habe ich nicht gewettet". Aber der Wagen jackerte den Berg hinauf, hielt nicht mehr an.
Am anderen Morgen lag der Fuhrmann neben seinen Pferden, und es fehlte ihm der Kopf. Er sucht ihn bis zum heutigen Tag, und wer ihm in dunkler Nacht begegnet, läuft soweit ihn die Füße tragen.
(Der Trommler)
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Der Grenzsteinverrücker
Claus Schmauch
In einem Dorf hauste einst ein Bauer der Dein und Mein schlecht unterscheiden konnte. Beim Mähen übersah er leicht den Scheidgraben. Die Hühner der Nachbarn lockte er in seine Scheune und bereicherte sich an den Eiern. Das Vieh trieb er mit Vorliebe auf fremde Kleeäcker, und wenn er etwas Verlorenes fand, barg er es in seinem Schuppen, ohne nach dem Besitzer zu fragen. Das nimmt kein gutes Ende, sagten die Leute, als sie bemerkten, dass er auch ihre Grenzsteine heimlich versetzte. Doch nie ließ er sich ertappen, so dass er auch nicht vor ein Gericht kommen sollte.
Da aber kein unrecht Gut gedeihen konnte, und alle Schuld einmal gesühnt werden muss, wurde der Bauer nach seinem Tod ein "Umgänger" Bei jedem Mondwechsel stieg er aus dem Grab, lud sich einen schweren Grenzstein auf die Schulter und machte sich auf. Winselnd und keuchend umwandelte er die Flur und schreckte die Fuhrleute und Fußgänger. Laut rief er:"Wo soll ich ihn hintun, der ist so schwer".
"Armer Tor", antwortete ihm einst ein Mädchen, das spät vom Spinnen heimging, "wenn Dir Gott nicht hilft, so wirst Du nimmer froh!"
Da begann der Bauer zu toben, und ein Steinhagel prasselte auf das Mädchen, das blutend nach Hause ankam.
Seitdem hütet sich jeder, dem Umgänger zu antworten. Noch heute geistert er im Feld umher und ruft: "Wo soll ich ihn hintun?" Aber wenn er die Antwort erhält: "Da, wo Du ihn geholt hast", wird er erlöst sein von seinem Fluch.
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Der Hülzweiler Bergmannsbauer
von Anton Altmaier
Aus den Kleinbauern und Tagelöhnern waren im 19. Jahrhundert Bergleute geworden. Doch die legten nun den Pflug und die Sense nicht beiseite sondern ackerten und pflanzten weiter wie bisher.
Manch einer hatte ein Stück Land geerbt, oder die Frau brachte es mit in die Ehe. Die Männer bekamen nun durch ihre Arbeit auf den Gruben bares Geld in die Hand und sie legten es gut an. Eine Kuh wurde erworben, oder eine oder zwei Ziegen kamen in den nun angebauten Stall. Es setzte damals in Hülzweiler wie überall ein emsiges Streben und Schaffen auf eigener Scholle ein. Der Typ des saarländischen Bergmannsbauern war bald über die Grenzen der Heimat bekannt.
Leicht war das Los des Bergmannsbauern nicht. Vor allem das Frühjahr und der Sommer, wo die Feldarbeit drängte, brachte viel Arbeit für die ganze Familie.
Der Bergmann musste seine Schichten regelmäßig fahren und dann aufs Feld. Für die Frühschicht gab ihm der Nachmittag frei, die Mittagschicht den Morgen. Bei der Nachtschicht blieb ihm der größte Teil des Tages übrig, nur wenige Stunden blieben für den Schlaf.
Doch stand der Bergmann nicht allein bei seiner Arbeit. Die Frau stand ihm wacker zur Seite und konnte oft auch den Pflug trefflich führen und auch wenn nötig die Sense schwingen. Doch ihr eigentlicher Bereich war das Haus, der Stall und die Küche sowie natürlich die reichliche Kinderschar. Ganz früh schon wurden die Kinder mit leichten und einfachen Arbeiten betraut und wuchsen so ganz natürlich in den Arbeitsablauf hinein.
Im Großen und Ganzen waren die Bergmannsfamilien in Hülzweiler recht religiös. Wenn schon der Bauer durch den Umgang mit der Natur recht gläubig geworden ist, so war der Bergmann ob seiner gefährlichen Arbeit erst recht mit Gott verbunden. Die heilige Barbara war die Schutzpatronin der Bergleute, und zu ihr beteten auch die Kinder, wenn der Vater zur Schicht fuhr:
“St Barbara, Du edle Braut,
mein Leib und Seel sei Dir vertraut,
sowohl im Leben wie im Tod,
komm mir zu Hilf in aller Not
Kamm mir zu Hilf am letzten End,
dass ich empfang das Sakrament. ”
Wenn im Spätherbst die letzten Runkelrüben eingeheimst waren, der Roggen gesät ist und die schwachen Pflänzchen die Felder wieder grün haben werden lassen, bevor sich die Winterdecke darüber ausbreitet, dann wird auch das Leben in der Bergmannsbauernfamilie wieder stiller. Der Mann wird wieder ganz Bergmann, die Frauen nehmen den Strickstrumpf hervor, und die Mädchen häkeln und stricken, wenn sie abends “maiien” gehen. Es beginnt die trauliche Zeit des Beisammenseins, von der man im Sommer nicht Viel gespürt hatte. Spukgeschichten und Märchen werden erzählt wie in den Zeiten der Spinnstuben.